Mit ‘Guillain-Barré-Syndrom’ getaggte Beiträge

Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich das Thema mit in den Blog nehme. Aufgrund einiger Unterhaltungen habe ich mich nun dazu entschlossen. Im Internet gibt´s diesbezüglich genug zu lesen, allerdings fällt die Krankheit oft verschieden aus und nicht jeder versteht die medizinischen Inhalte.

Bei einigen kommt und geht das GBS innerhalb von 6-8 Wochen. Es tritt schnell auf und verschwindet genau so schnell wieder. Mich hat jedoch die schleichende Variante getroffen…langsames Auftreten und noch langsameres Verschwinden. Wobei hier die Möglichkeit Folgeschäden zu behalten größer ist. Leider gehöre ich zu den Wenigen. Aber dazu komme ich noch.

Fakten:

  • Häufigkeit der Erkrankung: 1-2 mal je 100.000 Einwohner / Jahr
  • Dauer der Krankheit: einige Wochen bis mehrere Monate
  • Todesfolge: unter 5%
  • 2/3 der Patienten werden wieder vollständig gesund
  • Bei 4% der Betroffenen bricht die Krankheit nach Monaten oder gar Jahren erneut aus
  • jeder kann die Krankheit bekommen, sobald das Immunsystem geschwächt wurde. Meistens durch eine Magen-Darmgrippe
  • GBS ist bis heute weitesgehend unerforscht

Dr. Nicolas Gumpert:

Das Guillain-Barré-Syndrom (GBS) ist eine neurologische Erkrankung die auf einer Entmarkung von Nervenfasern beruht. Hierbei verlieren die Nervenzelle ihre isolierende Schicht, vergleichbar mit einem Stromkabel, wodurch die Nervenzelle die Funktion zur Informationsweitergabe verliert.
Die Ursache ist nicht vollständig geklärt. Es werden eine Autoimmunreaktion und neuroallergische Reaktionen auf vorangegangene Infektionen diskutiert.
Grundsätzlich kann das Guillain-Barré-Syndrom in jedem Alter auftreten. Typischerweise beginnt die Erkrankung 2-4 Wochen nach einem Infekt der oberen Luftwege oder des Magen-Darm-Traktes.
Die ersten Symptome sind Rückenschmerzen, Taubheitsgefühle und Missempfindungen im Bereich der Füße. Dann folgt eine meist symmetrische motorische Schwäche der Beine, Muskelschmerzen, Gang- und Standschwierigkeiten.
Die von unten aufsteigenden Lähmungen können bis zur Atemlähmung und zum Herzstillstand führen, so dass eine Beatmung und ein Herzschrittmacher notwendig werden können.
Die Diagnose wird durch eine intensive Befragung, eine körperlich- neurologische Untersuchung und eine Punktion von Nervenwasser (Liquordiagnostik) gestellt.
Die Therapie erfolgt symptomatisch unter intensivmedizinischer Überwachung. Günstige Verläufe überwiegen.

Mein Fall:

„Es trifft immer die Anderen aber nicht mich“…das war bis dahin mein sorgloses Denken, wenn es um schwere Krankheiten ging.

Ich hätte vorher auch nicht geglaubt das eine Magen-Darmgrippe, welche ich im Dezember hatte, eine derartige Krankheit hervorrufen könnte.

Im Januar 2007 hatte ich schleichende Lähmungserscheinungen. Zuerst dachte ich an Wadenkrämpfe oder einem Muskelkater vom Sport. Leider war dem nicht so. Es dauerte einige Tage an, bis ich kaum noch Kraft zum Gehen hatte. Auch die Arme wurden schwächer.

Wenig Zeit später lag ich auf der Intensivstation und wurde mit Immunglobulin behandelt (eine hochdosierte Gabe von Antikörpern). Nach 14 Tagen Krankenhaus bin ich in das Reha-Zentrum nach Hessisch Oldendorf gekommen. Hier war für die nächsten 7 Monate mein neues Zuhause. Zu dem Zeitpunkt konnte ich mich bis zur Hüfte abwärts nicht mehr bewegen, die Arme waren stark eingeschränkt. Ich konnte keine Wasserflasche öffnen und mit aller Kraft ein Messer in den Händen halten. Die Kraft reichte nicht mehr aus um ein Brötchen zu schneiden, aber zum Beschmieren reichte es gerade noch. Und so tat sich ein viertel Jahr überhaupt nichts. Das letzte was man jetzt nicht verlieren sollte ist der Wille das Ganze durchzustehen. Es ist eine Qual. Alleine das Stehen und später das Gehen wieder zu erlernen ist Kraft und Nerven aufreibend…es war einst alles selbstverständlich! Und ihr glaubt nicht, was für ein irres Gefühl das ist, wenn man bei Übungen im Liegen plötzlich wieder seinen Rücken ein ganz kleines bißchen von der Liege abdrücken kann! Da bekommt man Gänsehaut sowie Pipi in die Augen, einfach unbeschreiblich. Dann kommt der Zeitpunkt, wo man die Geh-Motorik neu auf dem Laufband erlernt. Im Schneckentempo wird ein Bein vor das andere gestellt…aber durch den Therapeuten, eine halbe Stunde lang…und wieder…und wieder. Man spürt nichts und versucht sich darauf zu konzentrieren, dass da doch etwas ist, man wünscht es sich förmlich. Man hängt in diesem Hängegeschirr und will einfach nur wieder Gehen können! Wisst ihr eigentlich wo der optimale Punkt im Kniegelenk liegt, damit man das Bein nicht durchdrückt aber auch nicht einknickt? Diesen Punkt wieder zu finden dauert Wochen und man fragt sich, wann es denn endlich wieder funktioniert.

Nach 5 Monaten bin ich aus dem Rollstuhl raus und konnte (kraftraubend) am Rollator gehen. Was meint ihr wie ich mich erschrocken habe, als ich plötzlich wieder stand…190cm in die Höhe! Da ist einem erst einmal mulmig.

Nur einen Monat darauf konnte ich mit Hilfe eines Gehstocks gehen. Es fühlte sich nach einem Hauch von Freiheit und Unabhängigkeit an.

Mit dem Stock bin ich dann im September entlassen worden. 2 Wochen später wurde dieser in den Keller verband, wo er bis heute steht. Zwischenzeitlich habe ich mich mit einem Freund in der Stadt getroffen. Es war komisch…man ist wieder unter der Bevölkerung una alle kommen einen unbeschwert entgegen, fröhlich…nichts ahnend wie schnell sich ein Schicksal ändern kann. Gut, warum sollte man sich auch einen Kopf darum machen. Wenn man monatelang von kranken Menschen umgeben ist, dann nimmt man die wiedergewonnene Umwelt zuerst anders wahr.

Die Krankheit ist leider nicht vollständig zurückgegangen. Einschränkungen in den Fußbewegungen sowie ein permanentes Kribbeln und eine schlechtere Feinmotorik in den Fingern sind geblieben. Ab und an schmerzt es unverständlicherweise im Fuß. Ab und an leidet der Gleichgewichtssinn.

Aber gut, man kann mit leben! Ich habe in der Zeit ganz andere Schicksalsschläge kennen gelernt. Zwischenzeitlich bekam ich übrigens aufgrund eines Ärztefehlers Thrombose, was mich nochmals zurückwarf. Trotzdem hatte ich in gewissermaßen noch Glück im Unglück…ich wußte lange Zeit nicht, dass die Krankheit, weiter fortgeschritten, sogar lebensgefährlich ist.

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