Mit ‘Whatsapp’ getaggte Beiträge

Das Startup Whatsapp stellt gratis Milliarden von Kurznachrichten zu und trifft damit die Telekombranche ins Mark. Die Firmengründer und ihre Pläne bleiben dagegen weitgehend im Dunkeln.

Brian Acton und Jan Koum sind nicht das typische Gründerduo, wie es im Silicon Valley tausendfach anzutreffen ist. Sie sind in den 30ern, nicht Anfang 20. Offizielle Fotos gibt es nicht. Sie scheuen die Medien und erzählen nicht alle fünf Minuten auf einer Konferenz oder im Gespräch mit einem Tech-Blogger von ihren Errungenschaften. Sie bauen ein rasch wachsendes Startup auf und sind auf dem besten Weg, das lukrative Geschäft mit Kurznachrichten der Telekombranche zu pulverisieren. Werbung gibt es nicht, und dennoch gewinnt der Handy-Kurznachrichtendienst Whatsapp weltweit rasant Nutzer dazu.
Vor einem Jahr drängte Sequoia Capital den Gründern rund 8 Mio. Dollar auf. Gebraucht hätten sie das Geld nicht. Sie bestätigen die Summe auf Anfrage nicht einmal. Sie schweigen auch über die aktuelle Firmenbewertung oder die Anzahl ihrer Nutzer. Wie oft Whatsapp bis heute heruntergeladen wurde? Unbekannt, ebenso wie das genaue Alter der beiden Manager oder ihre weiteren Pläne zum Ausbau des Geschäftsmodells.
Nutzer verschicken über Whatsapp alleine täglich zwei Milliarden Kurznachrichten.
Das Geschäftsmodell derzeit: Whatsapp ist die meistverkaufte iPhone-App in fast 100 Ländern von Deutschland bis Dominica und läuft auf iPhone, Android, Blackberry, Windows Phone und Nokia-Betriebssystemen. Wer sich Actons und Koums Whatsapp Messenger auf sein Handy lädt, kann anderen Whatsapp-Nutzern über das Web kostenlos SMS und Video- oder Audionachrichten schicken oder Gruppenchats führen. Der Dienst ist simpel und kommt vor allem ohne störende Werbung aus.
Der Aufstieg von Whatsapp und weniger populären Rivalen wie Pinger, Viber oder auch Skypes Kurznachrichtendienst bedroht das lukrative SMS-Geschäft der Mobilfunker. Nutzer verschicken über Whatsapp alleine täglich zwei Milliarden Kurznachrichten. Der Marktforscher Ovum schätzt, dass solche Dienste die Mobilfunkbetreiber im vergangenen Jahr 13,9 Mrd. Dollar SMS-Umsatz gekostet haben. Besonders betroffen sind die Konzerne in Europa, wo viele Handykunden für jede SMS bezahlen. In den USA sind monatliche SMS-Flatrates üblich. Acton bestritt Anfang April in einem seltenen Interview, dass Whatsapp die Mobilfunkkonzerne bedrohe. „So, wie ich es sehe, fördern wir einen breit angelegten Wechsel zu Datenverträgen, und die Unternehmen, die stark davon profitieren dürften, sind die Telcos“, sagte der Gründer der Nachrichtenagentur Reuters. Wer Whatsapp nutzen will, braucht einen Datentarifvertrag, der auch für E-Mail oder zum Websurfen genutzt wird. Fast alle Smartphone-Nutzer haben Datentarifverträge, da solch leistungsfähige Handys ohne diese nicht wirklich nützlich sind. Aber Whatsapp läuft auch auf billigen Nokia-Handys mit den veralteten Betriebssystemen S40 und S60. Diese Handys sind in Schwellenländern weit verbreitet, und Whatsapp bewegt solche Nutzer zum Abschluss bisher nicht benötigter Datenverträge.
Acton und Koum lernten sich bei Yahoo kennen, wo sie jahrelang am Ausbau der IT-Infrastruktur und an mobilen Anwendungen des Webkonzerns arbeiteten. Whatsapp-Chef Koum verließ Yahoo 2008 und entwickelte den Whatsapp Messenger. Dann holte er Acton dazu. 2009 gründeten sie die Firma. Sie verdient Geld mit dem Verkauf der App und erzielt einen positiven Cashflow. Die Anwendung kostet fürs iPhone 0,99 Dollar. Für alle anderen Betriebssysteme ist sie gratis, Nutzer zahlen nach einem Jahr eine Jahresgebühr von 0,99 Dollar. „Wir sagen nichts zu unseren Umsatzplänen, aber mit dem zunehmenden Verkauf von Smartphones haben wir viel Raum zum Wachsen“, sagt Whatsapp-Manager Neeraj Arora.
Whatsapp vermarktet keine Nutzerdaten und verkauft keine Werbung, da sie das Produkt nach Meinung der Gründer beeinträchtigen würde. Ohne Werbung könne das Startup zudem die Privatsphäre seiner Nutzer gewährleisten. Die einzigen Daten, die Whatsapp sammelt, sind Telefonnummern, um Nutzer mit ihren Freunden verbinden zu können.
Whatsapp ist der Durchstarter unter den Messenger-Apps. Aber noch größere Kopfschmerzen bereiten den Mobilfunkern in die Handybetriebssysteme integrierte Funktionen, mit denen Nutzer ebenfalls gratis SMS verschicken können. Dazu gehört Apples iMessage-Dienst für das populäre iPhone. „Das ist eine unheimliche Bedrohung für die Mobilfunker, weil die Einstiegsbarrieren so niedrig sind – Nutzer müssen nicht extra eine App herunterladen“, sagt Roger Entner, Analyst bei Recon Analytics. Schickt ein iPhone-Besitzer einem anderen iPhone-Besitzer eine SMS, wird diese automatisch als kostenlose iMessage übertragen. Der Druck auf die Mobilfunker dürfte weiter zunehmen. Laut Entner integriert Google eine iMessage-ähnliche Kurznachrichtenfunktion in einer nächsten Version seines dominanten Android-Betriebssystems.
Tschüs, SMS
Das lukrative SMS-Geschäft der Mobilfunkunternehmen wird von Startups wie Whatsapp und Schwergewichten wie Apple angegriffen. Die Mobilfunker kontern nun mit dem Multimedia-Kommunikationsdienst Joyn. Handykunden werden Textnachrichten und Fotos verschicken und Videogespräche führen können. Anstatt einzelne Nachrichten zu bezahlen, wird künftig das übertragene Datenvolumen abgerechnet. Vodafone startet im Mai als Erster in Deutschland mit dem SMS-Nachfolger, die Deutsche Telekom folgt im Sommer. Bei SMS-Alternativen wie Apples iMessage oder Whatsapp zahlen Nutzer ebenfalls für die Datennutzung, sie sind nicht auf 160 Zeichen beschränkt und können per Gruppenchat kommunizieren und Fotos versenden.
(Quelle: www.ftd.de)