Archiv für 20. September 2012

Shin Dong-hyuk hatte das Pech, in einem von Nordkoreas KZs geboren worden zu sein. Der Junge wird gefoltert und Zeuge schlimmer Verbrechen. Doch er kann fliehen und seine Geschichte aufschreiben.

Blaine Harden: „Flucht aus Lager 14. Die Geschichte des Shin Dong-hyuk, der im nordkoreanischen Gulag geboren wurde und entkam“. (DVA, München. 251 S., 19,99 Euro. ISBN 978-3421045706)

Zur Zeit sollen rund 200.000 Menschen in den zerklüfteten Bergregionen eingesperrt sein.

Die gängigen Euphemismen beschönigen die Tatsachen. Vollständig von der Außenwelt isoliert, fristen die Insassen ein rechtloses Dasein in äußerstem Elend. Maisbrei, Kohlsuppe und Rattenfleisch sind ihre Nahrung. Von Wächtern und Häftlingswärtern, einer Art „Kapos“, werden sie drangsaliert und getötet. Niemand soll von dort zurückkehren. Die Häftlinge sterben durch Hunger und Plackerei, Folter und Exekution, durch Erniedrigung und Seelenmord.

In vielen Merkmalen gleichen die koreanischen Lager den deutschen, russischen oder chinesischen KZs. Ihre Spezialität jedoch ist die Sippenhaft und der totale Verrat. Bis ins dritte Glied werden die Angehörigen eines Verdächtigen verfolgt.

Alle Häftlinge unterliegen strikter Anzeigepflicht. Jeder ist jedes anderen Denunziant. Vertrauen ist gefährlich, denn jeder kann ein Verräter sein. In den Schlafsälen, Schulzimmern und Arbeitsstätten herrschen Mundraub, Argwohn und Einsamkeit. Die Menschen belauern sich gegenseitig. Niemals dürfen mehr als zwei Häftlinge beieinander stehen, befiehlt die Lagerordnung.

Wer dagegen verstößt, wird auf der Stelle erschossen. Auffälligkeiten sind unverzüglich anzuzeigen. Verschweigen wird streng bestraft. Willige Informanten erhalten dagegen einen Judaslohn, eine leichtere Arbeit, eine Extraration. So zerstört das Lager nicht nur das Weltvertrauen des Individuums, sondern auch den sozialen Zusammenhalt. Informationen aus den Terrorkolonien sind rar.

Lager 14 – das schlimmste KZ 

Blaine Harden, vormals Auslandskorrespondent der „Washington Post“ und nun Autor des „Economist“, erzählt eine einzigartige Geschichte. Sie handelt von Shin Dong-hyuk, der 1982 im Lager 14, einem der schlimmsten KZs, geboren wurde und bis zu seiner Flucht 2005 nie etwas anderes erlebt hatte als die Schule der Niedertracht und Grausamkeit.

Seine Existenz verdankt er einer „Belohnungsehe“, die von den Aufsehern im Lager gestiftet wurde. Unverheirateten wird als höchste Prämie für harte Arbeit und verlässliche Denunziation manchmal eine Hochzeit gewährt, mit fünf gemeinsamen Nächten und ein paar Besuchen während des Jahres. Shins Bruder war acht Jahre älter, ein Fremder wie der Vater, die Mutter und die anderen Kindersklaven.

Der Hunger als Folterknecht 

In der Schule brachten ihm die Wärter bei, sich zu verbeugen, niemandem in die Augen zu sehen und sich seiner Herkunft zu schämen. Notdürftig lernte er das Alphabet, das Addieren und Subtrahieren, aber nicht das Einmaleins. Fragen zu stellen war verboten und zog Prügel nach sich. Um an eine zusätzliche Essensportion zu gelangen, verrieten die Kinder den Lehrern, was ihre Kameraden aßen und was sie gesagt hatten. Von der Welt jenseits des Lagers erfuhren sie nichts, nichts von ihrem Land und seiner Hauptstadt, nichts vom Regime und der Propaganda der Kim-Dynastie, geschweige denn von der Existenz eines zweiten Korea im Süden. Sie kannten kein Geld, keine Lieder, keine Moral, keine Freunde.

Es gab für Shin keine Hoffnung, die er hätte verlieren, keine Vergangenheit, der er hätte nachtrauern, keinen Stolz, den er hätte verteidigen können. Er fand nichts dabei, verschüttete Kohlsuppe vom Boden aufzulecken. Sein einziger Traum galt einem Festmahl, von dem ihm ein älterer Häftling erzählt hatte. „Freiheit“ war für ihn ein anderes Wort für gegrilltes Fleisch. Frühzeitig wurden die Kinder zur Arbeit eingesetzt. Sie fällten Bäume und reinigten Aborte, sie sammelten Kräuter für ihre Wärter, jäteten im Sommer Unkraut von vier Uhr früh bis zur Abenddämmerung, sie schufteten im Bergwerk, auf den Feldern, in der Textilfabrik, beim Dammbau. Ihr einziger Lebenssinn war die Erschöpfung ihrer Arbeitskräfte.

Der Mord an der Mutter 

Shin verriet den Fluchtplan seiner Mutter und seines Bruders. Da der Nachtwächter, dem er sich anvertraut hatte, unterschlug, von wem er den Tipp erhalten hatte, wurde Shin als vermeintlicher Mitwisser ins unterirdische Lagergefängnis geworfen und gefoltert. In der monatelangen Dunkelhaft herrschte Sprechverbot, doch konnte er mit seinem Zellengenossen flüstern, einem alten Mann, der seine Wunden versorgte und ihm zum ersten Mal erzählte, wie gekochtes Huhn schmeckt.

Im innersten Kreis der Lagerhölle erlebte Shin zum ersten Mal menschliche Freundlichkeit. Als er nach über einem halben Jahr ans Sonnenlicht zurückkehrte, fuhr man ihn mit seinem Vater auf ein abgeerntetes Weizenfeld. Viele Häftlinge waren dort versammelt. Doch in der ersten Reihe war noch Platz. Sein Bruder wurde erschossen und seine Mutter am Galgen aufgehängt.

Neun Jahre später gelang Shin die Flucht. Sein Gefährte, der ihm von der Welt jenseits der Grenze erzählt hatte, verbrannte im Hochspannungszaun. Quer durch Nordkorea führte der Weg bis zur chinesischen Grenze. Shin bewegte sich im Windschatten der Vagabunden und Schmuggler, der Obdachlosen und jugendlichen Diebe. Auf der Odyssee in die Freiheit kam ihm die Schule des Mißtrauens zustatten.

Ein Zeugnis der Schrecklichkeit 

Über die Grenze nach China kam er durch Bestechung; bei einem Schweinezüchter, bei dem er zehn Monate blieb, erhielt er für seine Arbeit zum ersten Mal Lohn und warme Winterkleidung.

Hardens Buch ist ein notwendiges Dokument gegen die Gleichgültigkeit. Manchmal liest sich der Bericht, der durch zeithistorische Informationen ergänzt wird, wie eine Art blockierter Entwicklungsroman. Die Flucht aus der Hölle war für Shin keine Rückkehr. Es war ein Sprung in eine unbekannte Welt. Als junger Erwachsener musste er erst lernen, was ein Radio ist, wie man mit Geld Kekse kauft, was Schuld bedeutet, wie man sein Gegenüber anblickt.

Sechs Monate verbrachte er im südkoreanischen Konsulat in Shanghai, wohin ihn ein Journalist gelotst hatte. Auch in Südkorea und den Vereinigten Staaten, wo man sich intensiv um den Flüchtling kümmerte, verheilten die Wunden des Lagers nicht: die Albträume, die verkrümmten Arme, der chronische Argwohn, die Empfindungslosigkeit, der Selbsthass, das Leben ohne Weinen und Lachen. Trotz gelungener Flucht konnte er dem Lager nie ganz entkommen.

Viele Muslime fordern Respekt gegenüber ihrem Propheten Mohammed. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass sie diesen auch anderen Religionen erweisen. Über das Messen mit zweierlei Maß.

In Deutschland hat sich eigentlich nur Frank Heinrich aus dem Wahlkreis Chemnitz so richtig aufgeregt. Seit 2009 sitzt er für die CDU im Bundestag. Als wichtige Themen nennt er auf seiner Homepage den Weiterbau der A72 und die Bahnanbindung seiner Stadt.

Doch was der Großmufti von Saudi-Arabien da am 12. März in einem religiösen Gutachten forderte, konnte den studierten Theologen nicht kalt lassen: Auf Anfrage einer Delegation aus dem Emirat Kuwait hatte Scheich Abdul Asis bin Abdullah erklärt, es sei notwendig, alle christlichen Kirchen auf der arabischen Halbinsel abzureißen.

Laut der Überlieferung soll der Prophet Mohammed nämlich auf dem Sterbebett darauf bestanden haben, dass in Arabien keine zwei Religionen nebeneinander existieren dürften.

Der Abgeordnete Heinrich schrieb in einer Erklärung, die Forderung sei „aus menschenrechtlicher Sicht ein Skandal“. Die Unterdrückung von Minderheiten begünstige „neue Formen der Diktatur“. Es sollte die einzige Reaktion eines Bundestagsabgeordneten auf die Erklärung des Scheichs bleiben. 

Die „Washington Post“ aber unternahm in einem Leitartikel ein interessantes Gedankenexperiment: „Wenn der Papst zur Zerstörung aller Moscheen in Europa aufrufen würde, wäre der Aufruhr katastrophal. Fachleute würden die Kirche angreifen, das Weiße Haus würde sich beeilen, eine Erklärung größter Beunruhigung herauszugeben und Randalierer im Nahen Osten würden einander in ihrem Ärger töten.“ Wenn aber einer der einflussreichsten muslimischen Gelehrten zur Zerstörung von Kirchen aufrufe, sei die Stille ohrenbetäubend.

Der Aufruhr um einen geschmacklosen Film über den Propheten Mohammed hat in zahlreichen westlichen Ländern zu einer Debatte über Toleranz, Meinungsfreiheit und die Grenzen des guten Geschmacks geführt.

Von diesem Diskurs ist die islamische Welt weit entfernt: Die vergangenen Tage haben vor allem das Selbstbild als ewiges Opfer des respektlosen Westens gestärkt. „Wir beleidigen niemals einen Propheten – nicht Moses, nicht Jesus – warum können wir nicht verlangen, dass Mohammed respektiert wird?“, fragte der Textilhändler Chaled Ali bei einer Demonstration vor der US-Botschaft in Kairo in der vergangenen Woche laut New York Times.

Muslime werden sich tatsächlich hüten, Moses oder Jesus zu beleidigen – beide sind schließlich auch islamische Propheten, denen Respekt gebührt. Doch was ist mit jenem Bild, das wohl im Juni dieses Jahres in der umkämpften syrischen Stadt Homs entstand?

Ein Kämpfer der „Freien Syrischen Armee“ posiert da vor einem Auto, in der Rechten hält er ein Sturmgewehr, in der Linken ein offensichtlich aus einer Kirche gestohlenes Kreuz, um den Hals hat er sich das Priestergewand gehängt. Kurz zuvor hatten Rebellenkämpfer die armenische Kirche und christliche Schule geplündert.

Oder jener Tag, als die tunesischen Salafisten das Kreuz der Kirche von Tunis mit Müllsäcken einpackten und den Gemeindemitgliedern deutlich machten, sie wollten das Symbol des Kreuzes im „islamischen Staat Tunesien“ nirgends mehr sehen. Kurz darauf wurden die Wandgemälde der zur Kirche gehörenden russischen Schule mit Fäkalien beschmiert und die Kreuze auf dem christlichen Friedhof beschädigt.

Die Zahl der Übergriffe gegen Christen in der islamischen Welt ist fast unüberschaubar geworden, die meisten Vorfälle erregen kaum mehr Aufsehen. Dabei geht es oft um Leben und Tod: In vielen Ländern der arabischen Welt wird ein freiwilliger Übertritt zum Christentum mit dem Tod bestraft. In Saudi-Arabien ist der Bau von Kirchen ebenso verboten wie die Versammlung zum Gebet in Privaträumen, der Besitz einer Bibel kann die Aufmerksamkeit der Religionspolizei erregen.

Selbst in der vergleichsweise liberalen Türkei können christliche Gemeinden keine Bankkonten eröffnen oder Immobilien besitzen, weil ihnen der rechtliche Status verwehrt wird.

Zudem verschmelzen Elemente des klassischen Antisemitismus mit politisch motiviertem Israelhass, das Ergebnis ist oft nur schwer zu ertragen: Gerade hat ein Prediger in Saudi-Arabien wieder verbreitet, Juden würden ihre Pessach-Matzen mit Menschenblut backen, ein pakistanischer Kollege ist sicher, der Weltfriede werde erst nach der Vernichtung des letzten Juden Wirklichkeit und der Vorsitzende der Organisation für Islamgelehrte im Libanon glaubt, die Juden steckten hinter allem Ärger dieser Welt und würden sogar die Buddhisten abrichten, Muslime anzugreifen.

Alle diese Beispiele stammen aus dem August und wurden vom Antisemitismus-Blog des „Middle East Research Institute“ (MEMRI) zusammengestellt.

Nicht einmal die verschiedenen muslimischen Strömungen tolerieren einander immer: Wenn im Irak schiitische Pilger an ihren Heiligen Stätten von sunnitischen Selbstmordattentätern in die Luft gejagt werden und der ägyptische Geistliche Masen al-Sirsawi verkündet: „Wenn Gott die Schiiten nicht als Menschen geschaffen hätte, wären sie Esel“, wenn in Libyen der Schrein eines sufistischen Heiligen teilweise zerstört wird, zeigt das, wie schlimm es um religiöse Toleranz in diesen Ländern steht.

Bisher aber richtet sich der kritische Blick nur nach außen.

(Quelle: www.welt.de, © Axel Springer AG)

Die einstige graue Maus der Bundesliga trägt inzwischen Paillettenhemd. Wo es früher staubte, schillert es nun. Mit einem Durchnschnittsetat und einer Mannschaft ohne richtigen Stars wurde ein Optimum erzielt, das ganz Fußball-Deutschland aufhorchen lässt.

„Die Aufmerksamkeit ist deutlich gewachsen. Wir werden bundesweit und international wahrgenommen“, sagt 96-Sportdirektor Jörg Schmadtke: „Es ist wunderbar, dass man den Leuten nicht mehr erklären muss, wo Hannover liegt.“ Dies alles schlägt sich auch im medialen Interesse nieder. Nur eine Partie mit deutscher Beteiligung darf Kabel 1 pro Spieltag live im Free-TV übertragen, zum Auftakt fiel die Wahl auf Hannovers Auftritt in Enschede. „Hannover 96 steht für Party und Spektakel. Der Verein ist Bundesligaspitze“, begründete Geschäftsführer Karl König die Entscheidung. Tricks soll es geben, atemberaubende Aktionen und tolle Tore – ganz so wie man es von den Niedersachsen inzwischen fast schon gewohnt ist.

Die von 96-Chef Martin Kind seit Jahren geforderte Markenentwicklung des Vereins schreitet voran. Hannover steht für ein Image, das mit jenem früherer Tage nicht mehr viel gemein hat. Statt am sportlichen Existenzminimum zu vegetieren, vereint man mittlerweile Begriffe wie attraktiv oder mitreißend auf sich. Insgesamt 30 Tore haben die Niedersachsen in ihren bisher acht Pflichtspielen der Saison bereits erzielt, in jeder Partie mindestens zwei. Die letzte Niederlage liegt knapp fünf Monate zurück.

„Es läuft sehr gut, wir sind sehr stark. Ich denke, wer Hannover 96 momentan spielen sieht, hat dabei eine Menge Spaß“, sagt Huszti, der an den vergangenen acht Toren seines Teams direkt beteiligt war. Zuletzt entschied er das Nordderby gegen Werder Bremen – ganz im neuen 96-Stil: In der Nachspielzeit, mit einem Seitfallzieher. „Vielleicht kommen unser Spiele derzeit als Partys rüber, aber in erster Linie wollen wir sportlich erfolgreich sein“, sagt Schmadtke und fordert, das Wesentliche nicht aus den Augen zu verlieren. Weitere Siege sollen her. Am besten schon in Enschede.

Wir brauchen keinen Gegner zu fürchten“, sagt Kind vor dem Duell mit den Niederländern. Einst trat der Klubchef ausschließlich als nüchterner Geschäftsmann auf. Stets vorsichtig und warnend. Die Bodenhaftung hat sich der 68-Jährige bewahrt, doch der schon seit Monaten herrschenden Euphorie im Umfeld kann sich auch Kind nicht mehr vollständig entziehen. Er, der den Verein vor 15 Jahren in der Drittklassigkeit übernahm und vor dem Untergang rettete, ist einfach nur stolz.

Der Unternehmer genießt die rauschhaften Augenblicke, die sich in Europa nicht nur beim vom ehemaligen Wolfsburger Bundesliga-Trainer Steve McClaren betreuten FC Twente, sondern auch gegen die weiteren Gruppengegner UD Levante und Helsingborgs IF wiederholen sollen.

Doch Kind weiß auch: Spektakel müssen erfolgreich sein. Sonst kann der Zauber verfliegen und schnell zur Gaukelei werden.